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CBD gegen Depressionen - fahrlässige Aussagen in Onlinebericht

Aktualisiert: 9. März 2023

Es ist immer wieder erschreckend, wenn wir bei unseren Recherchen auf Artikel stoßen, die Lesern suggerieren, dass frei käufliche CBD-Öl ewirksame Arzneimittel seien und dass medizinisches Cannabis, medizinisches CBD und frei käufliches CBD-Öl in einen Topf geschmissen werden. Als besonders gefährlich erachten wir dies, wenn es um eine schwerwiegende Erkrankung wie die Depression geht.


„Cannabidiol gegen Depressionen ist eine wirksame Alternative, um den Betroffenen dieser chronischen Krankheit mehr Lebensqualität zu verschaffen“ – heißt es in einem Artikel von wissen.de, den wir uns näher angesehen haben.


CBD gegen Depressionen - fahrlässige Aussagen in Onlinebericht

Was ist Cannabidiol?


In dem Artikel von wissen.de heißt es, dass CBD keine psychoaktive Wirkung verursacht, was jedoch nicht richtig ist. Denn CBD ist durchaus eine psychoaktive Substanz, aber ohne berauschende Wirkung. Psychoaktiv bedeutet, dass eine Substanz das zentrale Nervensystem beeinflusst und dies ist bei CBD hinlänglich bekannt.


„Es ist wichtig, diesen Vorbehalt anzubringen, denn Vorurteile und Fehlinformationen behindern immer noch die Verwendung von Cannabis zu medizinischen Zwecken, obwohl die Wissenschaft seine Wirksamkeit bei der Behandlung einer Reihe von Krankheiten bewiesen hat. CBD basierte Produkte sind daher sicher und haben schon vielen Patienten zu einem besseren und gesünderen Leben verholfen. CBD Öl zum Beispiel, das in Form von Tropfen oder Spray konsumiert wird, wird aus dem Hauptinhaltsstoff mit therapeutischem und medizinischem Potenzial in Cannabis hergestellt.“


Auf der einen Seite wird hier darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, Fehlinformationen zu vermeiden, und auf der anderen Seite wurde dennoch nicht vernünftig recherchiert. Frei käufliche CBD-Öle haben nichts mit medizinischem Cannabis oder medizinischem CBD zu tun.


Unterschiede auf einen Blick:


Wir wirkt Cannabidiol im Körper?


Nun heißt es weiter in dem Artikel:


„Ein hochwertiges CBD Öl wirkt auf die Mechanismen der Stimmungsregulierung im Gehirn und folglich auf Schlaf, Appetit und intellektuelle Funktionen. Stimmungsstörungen, die zu Angstzuständen und Depressionen führen können, werden mit einem Problem im Endocannabinoid-System in Verbindung gebracht, das eine Abnahme der Cannabinoid-Konzentration bewirkt.“


Wenn CBD eine Wirkung auf die intellektuellen Funktionen (wohl eher gemeint „intellektuelle Fähigkeiten“) wie das logische Denken, die Merkfähigkeit, den Sprachschatz oder eine hohe Intelligenz hätte, würden wir der gesamten Menschheit dringend die Einnahme von CBD empfehlen.


Richtig ist, dass der menschliche Körper über ein Endocannabinoid-System verfügt, zu dem die Cannabinoid-Rezeptoren Typ 1 und 2 sowie die endogenen Liganden – die sogenannten Endocannabinoide – gehören. Der Körper ist also in der Lage, Cannabinoide zu bilden, die den Cannabinoiden aus der Cannabispflanze ähnlich sind.


Als eine Art Regulationssystem ist das Endocannabinoid-System an unterschiedlichen physiologischen Prozessen beteiligt, wie zum Beispiel den Emotionen, dem Schmerzempfinden und Schlaf, aber auch am Appetit und vielen weiteren Prozessen. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass CBD ein wirksames Mittel gegen Depressionen ist.


Weiter schreibt der Autor des Artikels:


„Es sollte klargestellt werden, dass Cannabinoide eine Substanz sind, die auf natürliche Weise vom Gehirn produziert wird, aber bei einem Mangel an dieser Produktion kann es zu den genannten Stimmungsschwankungen und Krankheiten kommen. Neben der Regulierung von Serotonin kann auch Dopamin durch den medizinischen Einsatz von Cannabidiol reguliert werden, da es die Endocannabinoide sind, die die Reaktionen der Neurotransmitter ausgleichen.“


Es ist unklar, woher die Annahme stammt, dass das Gehirn Cannabinoide (wohl eher gemeint „Endocannabinoide“) bildet. Nehmen wir beispielsweise das Endocannabinoid Anandamid, so wird dieses im Gewebe und in Zellmembranen mit dem Vorläufermolekül der vierfach ungesättigten Fettsäure Arachidonsäure namens N-Arachidonylphosphatidylethanolamin produziert.


Vermutlich versucht der Autor, im ersten Satz auf die Hypothese des Endocannabinoid-Mangels zu verweisen, die jedoch wissenschaftlich nicht belegt ist. Die Aussagen in den folgenden Sätzen sind zudem nicht verständlich, bzw. ist der Zusammenhang unklar.


Wirksamkeit von Cannabidiol (CBD)


„In diesem Sinne kann CBD-Öl sehr wirksam sein. Und das Beste: ohne die gleichen unerwünschten Wirkungen wie bei herkömmlichen Behandlungen, die sogar süchtig machen können. Die Wirksamkeit wird in verschiedenen klinischen Studien beschrieben.“


Sehen wir uns an, welche „klinischen Studien“ der Autor anführt:


„Wissenschaftler des Instituts für Neurowissenschaften der Universität Miguel Hernandez in Alicante, Spanien, sind zu dem Schluss gekommen, dass die jüngsten Erkenntnisse darauf hindeuten, dass Cannabidiol in Tiermodellen schnelle und anhaltende antidepressive Wirkungen hervorruft und außerdem zelluläre und molekulare Veränderungen in Regionen induziert, die mit der Neurobiologie der Depression zusammenhängen.“


Zunächst einmal handelt es sich hierbei nicht um eine klinische Studie (am Menschen). In der genannten Zusammenfassung wird unter anderem auf zwei Studien abgehoben:


  • An Mäusen stellten Forscher in ihrer Studie fest, dass CBD eine antidepressiv-ähnliche Wirkung auslösen kann, was vermutlich darauf zurückzuführen ist, dass CBD an den 5-HT1A-Rezeptor (Serotoninrezeptor) binden kann.

  • Forscher untersuchten bei einer weiteren Studie, ob die Einmalgabe von CBD schnelle und anhaltende antidepressive Effekte hervorrufen kann. Hier zeigte sich dosisabhängig eine antidepressiv-ähnliche Wirkung.


Wir sprechen hier von Tierstudien und nicht von klinischen Studien (am Menschen). Eine Wirksamkeit lässt sich hieraus nicht ableiten. Denn Tatsache ist, dass es bislang keine aussagekräftigen Studien gibt, in denen CBD an depressiven Menschen untersucht wurde – und selbst wenn es diese gäbe, würde hier medizinisches CBD zur Anwendung kommen und keine frei käuflichen CBD-Öle.


Es existieren vereinzelte Studien, die Hinweise darauf geliefert haben, dass CBD in Kombination mit weiteren Cannabinoiden wie Tetrahydrocannabinol (THC) eine antidepressive Wirkung entfalten können. Dann wären wir aber wieder beim medizinischen Cannabis, das verschreibungspflichtig ist.


Dass in dem Artikel Vieles durcheinandergebracht wird, zeigt auch diese Aussage:


„In den Vereinigten Staaten hat beispielsweise eine Studie des University of Colorado ergeben, dass 73 % der medizinischen Onkologen, die an dieser Untersuchung teilgenommen haben, d.h. mehr als 7 von 10 Angehörigen der Gesundheitsberufe, an die Vorteile einer medizinischen Cannabisbehandlung glauben.“


Auch in diesem Bericht wird über medizinisches Cannabis gesprochen und nicht über frei käufliches CBD-Öl.


Fazit zu CBD gegen Depressionen


Die Depression ist eine ernst zu nehmende und schwere psychische Erkrankung, die vor allem einer intensiven therapeutischen Behandlung bedarf. In sehr schweren Fällen können auch Medikamente wie Antidepressiva zum Einsatz kommen.


Die Aussagen in dem Artikel von wissen.de, dass frei käufliche CBD-Öle bei Depressionen „sehr wirksam“ und eine „wirksame Alternative“ sein können, halten wir für grob fahrlässig. Denn solch ein Artikel könnte betroffene Menschen dazu verleiten, ihre Medikamente ohne Rücksprache mit ihrem Arzt abzusetzen.


Wiederum andere Betroffene könnten zusätzlich zu den Medikamenten mit der Einnahme von frei käuflichen CBD-Ölen beginnen, was ein Risiko darstellen kann. Denn zwischen CBD und Antidepressiva sind Wechselwirkungen möglich.



Darüber hinaus halten wir es für sehr wichtig, über die Unterschiede zwischen medizinischem Cannabis, medizinischem CBD und frei käuflichen CBD-Ölen aufzuklären. Denn anhand dieses Artikels ist einmal mehr erkennbar, dass hier noch ein hoher Aufklärungsbedarf besteht.






Autorin: Alexandra Latour

Aufgrund der über zehnjährigen freiberuflichen Autorinnentätigkeit für renommierte Gesundheitsportale und Online-Magazine übernahm Alexandra Latour Anfang 2017 d ie stellvertr. Redaktionsleitung von Leafly Deutschland. Auch nach der Schließung der deutschen Niederlassung von Leafly war sie weiterhin als Medizinredakteurin und Beraterin in der Cannabis- und CBD-Branche tätig und konnte sich hier eine umfangreiche Expertise aneignen.

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