top of page

CBD gegen oxidativen Stress

Erstellt am: 02.02.2023                     Aktualisiert am: 03.02.2023                    Autor: Alexandra Latour

Es ist häufig zu lesen, dass das Cannabinoid Cannabidiol (CBD) aus der Hanfpflanze antioxidative Eigenschaften besitzt und dabei helfen kann, freie Radikale zu neutralisieren. Die aktuelle Studienlage ist jedoch nicht eindeutig, bzw. steckt die Forschung hier noch am Anfang. CBD scheint tatsächlich das Potenzial zu besitzen, antioxidativ wirken zu können. Es gibt jedoch auch Studien, die darauf hinweisen, dass CBD oxidativen Stress auszulösen. Deshalb haben wir uns mit der Thematik etwas näher beschäftigt.

CBD gegen oxidativen Stress

Freie Radikale sind Atome oder Moleküle mit einem ungepaarten Elektron, wodurch die sehr reaktionsfreudig sind. Um eine höhere chemische Stabilität zu erreichen, versuchen freie Radikale, ein Elektron von potenziellen Reaktionspartnern zu „stehlen“. Diese chemische Reaktion wird als Oxidation bezeichnet. Gelingt es den freien Radikalen, von anderen Molekülen Elektronen zu „stehlen“, werden diese Moleküle wiederum zu freien Radikalen, was zu einer Kettenreaktion führen kann.

 

Im Grunde sind freie Radikale einfach nur Stoffwechselprodukte, die in unserem Körper ganz natürlich vorkommen. Wir nehmen bei jedem Atemzug neue freie Radikale auf, die sich innerhalb weniger Sekunden zu mehreren Billionen freien Radikalen aufsummieren. Im Normalfall wird unser Körper problemlos damit fertig.

 

Wenn jedoch die Balance zwischen den freien Radikalen sowie den körpereigenen Mechanismen zur Radikalentgiftung nicht mehr gegeben ist, kann oxidativer Stress entstehen. Ein dauerhafter Überschuss an freien Radikalen kann unsere Gesundheit gefährden.

Antioxidantien sind chemische Verbindungen, die die Fähigkeit besitzen, die Oxidation anderer Substanzen zu verlangsamen oder ganz zu verhindern. Sie werden auch als Radikalfänger bezeichnet, da sie freie Radikale „unschädlich“ machen können.

 

In der Regel verfügt unser Körper über ein gut funktionierendes Schutzsystem, das die freien Radikale in Schach hält. Die Antioxidantien wirken im Zusammenspiel mit weiteren Antioxidantien und bilden ein antioxidatives Netzwerk, wozu beispielsweise Vitamine wie Vitamin C, B2 und E sowie Mineralstoffe wie Zink und Selen gehören. Je nach Herkunft lassen sich die Antioxidantien in vom Körper gebildete Antioxidantien (z. B. Stoffwechselprodukte, Enzyme, Hormone) und von außen mit der Nahrung zugeführte Antioxidantien (z. B. Obst, Gemüse, Nüsse) einteilen.

Anker 1
Anker 2
Grafikelement

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat die Studienlage zur Wirkung von Antioxidantien geprüft und kommt zu dem Schluss, dass bei vielen Substanzen keine gesicherte wissenschaftliche Datenlage existiert [1]. Deshalb sind gemäß der Health-Claim-Verordnung nur wenige Aussagen zum Schutz vor freien Radikalen erlaubt. Bei den Vitaminen B2, C und E sowie den Mineralstoffen Zink und Selen ist die Aussage, dass sie „Zellen vor oxidativem Stress schützen können“, zulässig. Ebenso ist die Aussage "Olivenöl-Polyphenole tragen dazu bei, die Blutfette vor oxidativem Stress zu schützen" erlaubt.

 

Es ist nicht bewiesen, dass einzelne Antioxidantien in Form von Nahrungsergänzungsmitteln oder aber in ACE-Produkten mit Vitamin C, E und Betacarotin vor Erkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Arteriosklerose, Arthritis oder Krebs schützen oder den Hautalterungsprozess aufhalten.

 

Viele Unternehmen bewerben ihre Nahrungsergänzungsmittel oftmals mit hohen ORAC-Werten (Oxygen Radical Absorbance Capacity), die zeigen sollen, wie gut die Fähigkeit der Substanzen ist, freie Radikale abzufangen. Allerdings handelt es ich bei den ORAC-Werten um reine Laborwerte. Diese lassen sich nicht auf den Menschen übertragen [2].

Es ist nicht neu, dass Antioxidantien auch unerwünschte und sogar negative Wirkungen verursachen kann. Nur wird die prooxidative Wirkung von Antioxidantien kaum erwähnt – vor allem natürlich nicht von Herstellern, die ihre Nahrungsergänzungsmittel verkaufen möchten.

 

Aus Studien ist bekannt, dass Antioxidantien vermutlich synergetisch wirken. Das bedeutet, dass eine Kombination aus Antioxidantien womöglich effektiver ist, als ein einzelner hoch dosierter Nährstoff. Auf der anderen Seite kann ein gestörtes Gleichgewicht der Antioxidantien die positive Wirkung umkehren. Ein gutes Beispiel hierfür ist Beta-Carotin. Während der Nährstoff als Nahrungsbestandteil das Risiko für Lungenkrebs senken kann, soll es Studien zufolge als Nahrungsergänzungsmittel bei Rauchern das Risiko für Lungenkrebs erhöhen [3].

 

Bei der Prävention von kardiovaskulären Erkrankungen und Krebs wird immer wieder diskutiert, ob die Zufuhr von Nahrungsergänzungsmitteln mit Antioxidantien sinnvoll ist. Während die einen dazu raten, warnen sogar andere vor der Einnahme, wie zum Beispiel das Expertengremium der US Preventive Services Task Force (USPSTF). In einer Stellungnahme wird von der präventiven Einnahme von Vitamin E und Beta-Carotin explizit abgeraten [4].

Anker 3
Anker 4

Einzelne Forschungsdaten deuten darauf hin, dass CBD ein vergleichbares Antioxidans wie herkömmliche Antioxidantien sein könnte [5]. Es wird jedoch angenommen, dass CBD womöglich in der Lage ist, Antioxidantien zu regulieren und die Produktion reaktiver Sauerstoffspezies zu kontrollieren.

 

Es wurde jedoch auch über eine prooxidative Wirkung von CBD berichtet, sodass bei der Betrachtung von CBD unter therapeutischen Gesichtspunkten Vorsicht geboten ist. Solche pro- und antioxidativen Funktionen von CBD sind möglicherweise zell- und modellabhängig und können auch von der CBD-Dosis, der Dauer der CBD-Behandlung und der zugrunde liegenden Pathologie beeinflusst werden.

 

Studien, in denen CBD oxidativen Stress reduzieren konnte:

Aufzählungszeichen
Aufzählungszeichen

An Ratten mit einer Sepsis untersuchten brasilianische Forscher im Jahr 2010 die Auswirkungen einer akuten und verlängerten Verabreichung von CBD auf oxidative Stressparameter. Im Ergebnis heißt es, dass CBD den oxidativen Stress in peripheren Organen und in den Gehirnen der Tiere verringern konnte [6].

 

Im Jahr 2013 untersuchten Forscher aus Madrid die neuroprotektive („zellschützende“) Wirkung von Cannabidiol (CBD) an einem Hirnverletzungsmodell bei neugeborenen Schweinen. Im Ergebnis heißt es, dass CBD das Potenzial besitzt, neuroprotektiv zu wirken und Entzündungen sowie oxidativen Stress mindern könnte [7].

Studien, in denen CBD eine prooxidative Wirkung zeigte:

Aufzählungszeichen
Aufzählungszeichen

Die Forschung zur antioxidativen und prooxidativen Wirkung von Cannabidiol (CBD) steckt noch in den Kinderschuhen und es gibt nur wenige Labor- und Tierstudien, die lediglich Hinweise liefern. Ob CBD tatsächlich ein Antioxidans ist, lässt sich nicht bestätigen, ebenso nicht das Gegenteil.

 

Jede Substanz, die wir unserem Körper zuführen – und das gilt auch für natürliche Substanzen – kann erwünschte und unerwünschte Wirkungen auslösen. CBD ist hier keine Ausnahme.

Lesen Sie auch folgende Artikel:

Grafikelement

Forscher aus Taiwan untersuchten im Jahr 2018 die zellulären Mechanismen der CBD-induzierten Apoptose (Zelltod) und des oxidativen Stresses in menschlichen Monozyten (im Blut zirkulierende Zellen des Immunsystems). Hier zeigte sich, dass CBD oxidativen Stress in apoptotischen Monozyten induzierte [8].

 

Im Jahr 2020 untersuchten polnische Forscher den Einfluss von CBD auf Ratten mit Bluthochdruck. Die Forscher berichten, dass es zu einem unerwarteten CBD-bedingten Anstieg der Lipidperoxidation kam, was zu unerwünschten Wirkungen führen könnte. Deshalb sei bei der therapeutischen Verwendung von CBD Vorsicht geboten. Bei der Lipidperoxidation wird die oxidative Degradation von Lipiden verstanden. Ein Lipid gibt Elektronen an reaktive Radikale ab, was zu einer Kettenreaktion führen kann, wodurch es in der Zellmembran zur Zellschädigungen kommen kann [9].

Anker 5
Anker 6
Anker 7
Alexandra Latour, Autorin, Medizinredakteurin
  • LinkedIn

Aufgrund der über zehnjährigen freiberuflichen Autorinnentätigkeit für renommierte Gesundheitsportale und Online-Magazine übernahm Alexandra Latour Anfang 2017 die stellvertr. Redaktionsleitung von Leafly Deutschland. Auch nach der Schließung der deutschen Niederlassung von Leafly war sie weiterhin als Medizinredakteurin und Beraterin in der Cannabis- und CBD-Branche tätig und konnte sich hier eine umfangreiche Expertise aneignen.

[1] Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), Dezember 2011, Leitlinien zu den wissenschaftlichen Anforderungen an gesundheitsbezogene Angaben in Bezug auf Antioxidantien, oxidative Schäden und kardiovaskuläre Gesundheit

 

[2] Verbraucherzentrale, Juli 2022, Was versteht man unter den ORAC-Werten?

 

[3] Tanvetyanon T, Bepler G. Beta-carotene in multivitamins and the possible risk of lung cancer among smokers versus former smokers: a meta-analysis and evaluation of national brands. Cancer. 2008 Jul 1;113(1):150-7. doi: 10.1002/cncr.23527. PMID: 18429004

 

[4] O'Connor EA, Evans CV, Ivlev I, Rushkin MC, Thomas RG, Martin A, Lin JS. Vitamin and Mineral Supplements for the Primary Prevention of Cardiovascular Disease and Cancer: Updated Evidence Report and Systematic Review for the US Preventive Services Task Force. JAMA. 2022 Jun 21;327(23):2334-2347. doi: 10.1001/jama.2021.15650. PMID: 35727272

 

[5] Pereira SR, Hackett B, O'Driscoll DN, Sun MC, Downer EJ. Cannabidiol modulation of oxidative stress and signalling. Neuronal Signal. 2021 Aug 24;5(3):NS20200080. doi: 10.1042/NS20200080. PMID: 34497718; PMCID: PMC8385185

 

[6] Cassol OJ Jr, Comim CM, Silva BR, Hermani FV, Constantino LS, Felisberto F, Petronilho F, Hallak JE, De Martinis BS, Zuardi AW, Crippa JA, Quevedo J, Dal-Pizzol F. Treatment with cannabidiol reverses oxidative stress parameters, cognitive impairment and mortality in rats submitted to sepsis by cecal ligation and puncture. Brain Res. 2010 Aug 12;1348:128-38. doi: 10.1016/j.brainres.2010.06.023. Epub 2010 Jun 16. PMID: 20561509

 

[7] Pazos MR, Mohammed N, Lafuente H, Santos M, Martínez-Pinilla E, Moreno E, Valdizan E, Romero J, Pazos A, Franco R, Hillard CJ, Alvarez FJ, Martínez-Orgado J. Mechanisms of cannabidiol neuroprotection in hypoxic-ischemic newborn pigs: role of 5HT(1A) and CB2 receptors. Neuropharmacology. 2013 Aug;71:282-91. doi: 10.1016/j.neuropharm.2013.03.027. Epub 2013 Apr 12. PMID: 23587650

 

[8] Wu HY, Huang CH, Lin YH, Wang CC, Jan TR. Cannabidiol induced apoptosis in human monocytes through mitochondrial permeability transition pore-mediated ROS production. Free Radic Biol Med. 2018 Aug 20;124:311-318. doi: 10.1016/j.freeradbiomed.2018.06.023. Epub 2018 Jun 22. PMID: 29940353

 

[9] Remiszewski P, Jarocka-Karpowicz I, Biernacki M, Jastrząb A, Schlicker E, Toczek M, Harasim-Symbor E, Pędzińska-Betiuk A, Malinowska B. Chronic Cannabidiol Administration Fails to Diminish Blood Pressure in Rats with Primary and Secondary Hypertension Despite Its Effects on Cardiac and Plasma Endocannabinoid System, Oxidative Stress and Lipid Metabolism. Int J Mol Sci. 2020 Feb 14;21(4):1295. doi: 10.3390/ijms21041295. PMID: 32075117; PMCID: PMC7072941

bottom of page